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DDr. Leopold Kogler: "Aus der Weite der Einsamkeit", 2004

Aus der Weite der Einsamkeit

In den vergangenen zehn Jahren hat sich Franz Schwarzinger auf ein spezifisches Genre konzentriert: die Figur. Aus einem starken Bewusstsein für ihre lange Tradition heraus schafft er Zeichnungen und Gemälde, die sich vom Ungegenständlichen entfernten und immer erkennbarer und komplexer wurden. Die Darstellungen sind nicht mehr Farbflächen und gestische Artikulationen, es sind immer wieder Figuren in perspektivlosem Ambiente dominant. Bewusst beschränkt sich Schwarzinger auf wenige Bildmotive, die  immer wieder neu in malerisch-technischen, inhaltlichen oder farblichen Varianten Verwendung finden. Bilder und Motive, die ihn nicht loszulassen scheinen, wie ein immer wiederkehrender Traum, dessen Bilder er festzuhalten sucht, wie Erinnerungssplitter, die von Zeit zu Zeit in unterschiedlichen Konstellationen aufblitzen, sich konkretisieren.

Gleich der Erinnerung sind diese Bildvarianten stets von einer anderen Stimmung getragen. Aus unterschiedlichen Entfernungen, Details fokussierend und isolierend, ist jedes Bild eine andere Erinnerungsversion. Fragmente und Details einer Erinnerung materialisieren sich in einem Moment oder lösen sich in Unschärfe auf.

Die ersten  Silhouetten von Menschen – manchmal auf kleinem, dann wieder auf einem extrem großen Format – sind nahezu archetypisch. Kennzeichnend für diese Gemälde ist, dass sie eine typisch moderne Erfahrung introduzieren: es ist, als ob die Umgebung aus weiter Ferne erfasst wurde. Schwarzinger interessiert nicht sosehr die Umgebung an sich, sondern die Wahrnehmung menschlicher Begegnung.

Mitunter muten die Szenen wie ein surrealer Tatort an: unklar bleibt, ob der dramatische Höhepunkt noch zu erwarten oder bereits vergangen ist. Die „emotionale“ oder „expressive“ Geste seiner Malerei steigert diese Wahrnehmung. Franz Schwarzinger benutzt ein expressionistisches Idiom, ist jedoch kein Expressionist. Seine Pinselstriche und Farbfelder brauchen nicht in einer emotionalen Anwandlung gemalt worden zu sein. Es kann auch sehr ruhig gemacht werden. Er entwickelt aus dem Bewusstsein vieler künstlerischer Stile und Handschriften heraus eine vollkommen eigene Bildsprache.

Die Aufmerksamkeit wird nachdrücklich auf die bildnerischen Mittel selbst gelenkt. Die Thematisierung der Differenz zwischen Medium und Bild rückt in den Vordergrund. Die Bilder von Franz Schwarzinger entziehen sich einer schnellen Sinnstiftung und stellen Fragen nach den Grundbedingungen der Bildgenerierung und der Bildwahrnehmung. Der Betrachter generiert das Bild als Bild. Sein Blick schafft den eigenen Raum und den Menschen jenseits einer Abbildung. Schwarzinger provoziert ein assoziierendes, das Sichtbare fortsetzende Sehen.

DDr. Leopold Kogler, August 2004

 

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